"Gleichstellung betrifft Frauen und Männer". Françoise Hetto-Gaasch au sujet de l'égalité de traitement entre hommes et femmes

Luxemburger Wort: Was für Aufgaben sehen Sie für sich als Gleichstellungsministerin - auf den Arbeitsmarkt bezogen?

Françoise Hetto-Gaasch: Alle Bereiche, die ich betreue, spielen zusammen: Gleichstellung in der Politik und in der Gesellschaft, Gleichstellung in der Schule und Gleichstellung im Privatleben wenn man eben versucht, Beruf und Privatleben zu verbinden. Und wenn wir gerne mehr Frauen in der Politik hätten, mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt und speziell in Führungspositionen, dann müssen wir dafür sorgen, dass mehr Frauen dazu motiviert werden. Frauen sind oft sehr gut ausgebildet, ziehen sich dann aber zurück, wenn sie Kinder bekommen. Das heißt, ihre Kompetenzen gehen der Wirtschaft verloren. Wir müssen also ein adäquates Umfeld schaffen, damit Frauen beruflich aktiv sein können. Also zum Beispiel noch flexiblere Betreuungsmöglichkeiten.

Luxemburger Wort: Was hat die Wirtschaft, haben Betriebe davon, wenn Frauen in ihrem Beruf "vorne mitmischen"?

Françoise Hetto-Gaasch: Studien in den USA zeigen: In Betrieben mit Frauen in Spitzenpositionen sind Arbeitsklima und Produktivität sehr gut. Die Arbeitskonditionen für Frauen müssen aber auch stimmen. Das spielt zusammen mit einer größeren Bandbreite von Frauenberufen. Bedeutet: mehr Frauen in technische Berufe oder in die Forschung, beides immer noch Männerdomänen. Und umgekehrt mehr Männer beispielsweise in Erziehungs- oder Lehrerberufe. Denn es zeigt sich: Kinder brauchen weibliche und männliche Identifikationsfiguren. Wir brauchen einen gesunden Mix. Gleichstellung betrifft also genauso Männer wie Frauen.

Luxemburger Wort: Ist Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt in Luxemburg gesetzlich genügend verankert?

Françoise Hetto-Gaasch: Die Gesetze, die wir sehr wohl haben, werden nicht immer korrekt angewendet. Darauf müssen beispielsweise Sozialpartner beim Ausarbeiten der Kollektivverträge aufpassen. Ich habe mich mit Arbeitsminister Nicolas Schmit schon darüber unterhalten, bei der ITM eine zusätzliche Anlaufstelle zu schaffen, um Lohndifferenzen zu analysieren. Außerdem muss die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten in den Betrieben neu überdacht werden. Man könnte natürlich Quoten aufstellen. Aber ich muss sagen, ich selbst wäre nicht gerne eine "Quotenfrau".

Luxemburger Wort: Wo sehen Sie Unterschiede im Selbstbewusstsein von Mann und Frau, was die Jobwelt angeht?

Françoise Hetto-Gaasch: In der Selbstständigkeit. Davor haben Frauen immer noch mehr Angst. Da müssen wir sie unterstützen. Darum haben wir kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben. Typisch Frau ist oft, sich selbst zu streng in Frage stellen.

Luxemburger Wort: Eurostat-Untersuchungen zeigen auf, dass die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern hierzulande zwischen elf und 14 Prozent liegt ... Hat die Arbeit von Frauen heute in Luxemburg nicht den gleichen Wert wie die von Männern?

Françoise Hetto-Gaasch: Grundsätzlich glaube ich schon, dass die Qualifikationen von Frauen anerkannt werden. Da hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel getan. Es gibt aber noch Bereiche, wo es Unterschiede gibt. Wir hatten zum Beispiel Stellenausschreibungen auf dem Tisch liegen für eine Reinigungsfirma. Die eine war für eine Frau, die andere für einen Mann.. Die Frau sollte etwa 16 Euro verdienen, der Mann knapp über 20. Die Begründung war, dass der Mann beispielsweise als Fensterputzer oft den gefährlicheren Job machen muss. Doch da müsste es für Frauen, die Toiletten putzen, genauso eine Zulage geben, weil das eine sehr unangenehme Arbeit ist! Wenn also ein Betrieb mit über 50 Mitarbeitern merkt: Da ist ein Ungleichgewicht oder Ungerechtigkeit in unserem System, kann man online auf der Homepage des Ministeriums unser Instrument "Logib" herunterladen, die entsprechenden Daten eingeben, und dann sieht man, wo Lohndifferenzen bestehen. Danach kann man sich bei uns beraten lassen. Insgesamt liegen die Lohndifferenzen europaweit übrigens durchschnittlich bei 18 Prozent. Luxemburg steht also im Vergleich relativ gut da. 26 Prozent der Chefs in den Unternehmen sind hierzulande Frauen.

Luxemburger Wort: Wie können Sie Frauen konkret unterstützen?

Françoise Hetto-Gaasch: Ich bin der Meinung, dass eine Frau einer anderen immer noch am besten Ängste nehmen kann. So gibt es die "Femmes chefs d'entreprises", mit denen wir gern zusammenarbeiten, die auch bereit sind, Frauen zu motivieren. Wir haben zudem zusammen mit dem Wirtschaftsministerium und der Handelskammer das kostenlose Programm "Business Mentoring". Wir bieten außerdem Betrieben Aktionspläne an. Wenn sie zum Beispiel zu wenige Frauen in hohen Positionen haben und das ändern wollen, können wir sie unterstützen. Das haben wir zum Beispiel mit zwei großen Banken schon gemacht. Dort wurden zunächst Umfragen im Personal gemacht, und daraufhin wurde der Aktionsplan aufgestellt.

Luxemburger Wort: In der Stadt Luxemburg gibt es ein Programm zur Gleichstellung der Geschlechter, das sich an der europäischen Gleichstellungs-Charta orientiert - in diesem Jahr mit Schwerpunkt auf der Beschäftigungsstruktur der Gemeinde. Wer macht noch bei der Charta mit?

Françoise Hetto-Gaasch: Europaweit haben mittlerweile 500 Gemeinden die Charta unterschrieben. Hier in Luxemburg sind es bisher elf: Luxemburg, Bettemburg, Differdingen, Esch/Alzette, Düdelingen, Kehlen, Mamer, Petingen, Sanem, Steinsei und Bech. Im Oktober hatten wir eine Konferenz organisiert, zu der alle Gemeindeverantwortlichen des Landes, eingeladen wurden und bei der auch Gemeinden aus dem Ausland da waren, die schon Erfahrung mit der Charta haben. Es geht darin ja um eine Bestandsaufnahme der Situation der Frauen und Männer in der Gemeinde, danach eine Aufstellung der Ziele, die Maßnahmen werden dann umgesetzt und am Ende wird alles evaluiert. Die Gemeinden werden dabei immer von uns unterstützt - mit Instrumenten auf unserer Homepage, mit Weiterbildungen und mit Ratschlägen des "Conseil national des femmes".

Luxemburger Wort: Bei einer Bestandsaufnahme dieses Programms von Luxemburg-Stadt Anfang März kam heraus, dass die Zahl der Männer, die Elternurlaub nehmen, steigt. Einige steigen danach sogar auf eine Teilzeitbeschäftigung um. Können Sie das fürs ganze Land bestätigen?

Françoise Hetto-Gaasch: Die Zahl der Männer, die Elternurlaub nehmen, steigt konstant. Waren im Jahr 1999, als der Elternurlaub eingeführt wurde, nur 6,28 Prozent, die den Urlaub in Anspruch nahmen, waren es im Jahr 2009 schon 23,43 Prozent. Nicht schlecht. Bei männlichen Arbeitnehmern, die im Land wohnen, waren es 27,36 Prozent - und bei den rein luxemburgischen Männern sogar 30 Prozent. Männer bevorzugen übrigens immer den zweiten Elternurlaub, den man nehmen kann, bis das Kind fünf Jahre alt ist. Teilzeit- und Vollzeit-Elternurlaub sind bei den Männern ungefähr fast gleich beliebt, allerdings mit einer steigenden Tendenz zum Teilzeit-Arbeiten. Immer noch findet man den Männer-Elternurlaub übrigens hauptsächlich bei den Gemeinden und beim Staat - weil sie dort einfach sicher wissen, dass sie zurückkommen können.

Luxemburger Wort: Hat Luxemburg etwas nachzuholen, was Teilzeit-Beschäftigung angeht?

Françoise Hetto-Gaasch: Das Thema "Teilzeitarbeit" ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es ein gutes Instrument, um Beruf und Familie zu verbinden. Andererseits muss man sich aber auch der Risiken bewusst sein und vor allem der Konsequenzen, was Rente beziehungsweise Pension angeht. Unsere Gesetzgebung schützt die Teilzeit-Arbeitgeber eigentlich ganz gut, im Gegensatz zu anderen Ländern. Außerdem haben sie meist selbst ihre Wahl getroffen, nicht voll zu arbeiten. Nachzuholen gibt es hierzulande aber trotzdem einiges. Viele Betriebe sperren sich gegen Teilzeitarbeit, obwohl erwiesen ist, dass solche Mitarbeiter oft in kurzer Zeit mehr und motivierter arbeiten. Und: Viele große Unternehmen wehren sich immer noch gegen die Telearbeit von zu Hause aus, und das sogar in Berufen, die dafür prädestiniert wären. Und das kann man jetzt von meiner Seite wirklich als einen Appell ansehen! Denn die Betriebe, die so etwas anbieten, können sich in anderen Zeiten dann auch darauf verlassen, dass sie von ihren Arbeitnehmern unterstützt werden! Und, nicht zu vergessen: Telearbeit hat auch einen positiven Einfluss auf Stra-ßenverkehr und Umwelt!

Luxemburger Wort: Wie bekommen Sie selbst Beruf und Familie "unter einen Hut"?

Françoise Hetto-Gaasch: Meine Kinder sind 1991 und 1994 geboren. Damals gab es den Elternurlaub noch gar nicht. Ich habe also direkt nach dem Mutterschutz halbtags wieder gearbeitet. Ich konnte meine Zeit allerdings bei meiner ersten Arbeit in einem Erziehungsheim gut selbst einteilen und viel am Wochenende abarbeiten, wenn mein Mann daheim war. Bei meinem zweiten Job bei RTL habe ich nachmittags gearbeitet, bis die Kinder im Schulalter waren - und danach umgekehrt morgens Sendung gehabt. Ich hatte großes Glück - auch, weil meine Schwiegermutter viel aufgepasst hat auf die Kinder. Ich hatte stets Unterstützung in der Familie. Auch heute noch, wo meine Söhne ja mit 16 und 19 schon relativ groß sind. Denn sie brauchen mich natürlich immer noch.

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