"Ich bin keine Feministin", Françoise Hetto-Gaasch au sujet de la politique poursuivie en matière d'égalité entre hommes et femmes.

Woxx: Kürzlich wurde der Festakt zum 90-jährigen Bestehen des Frauenwahlrechts begangen. Was verbinden Sie persönlich mit diesem Termin?

Françoise Hetto-Gaasch: 1919 ist auch der Zeitpunkt, an dem das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt wurde. Bis dahin durften nur 25 Prozent der Männer überhaupt wählen. Somit bedeutet dieses Datum für beide Geschlechter einen großen Schritt in Richtung Demokratie.

Woxx: Dennoch waren bei den letzten Wahlen nur 34,1 Prozent der Kandidaten auf den Wahllisten weiblich, und im Staatsrat sind nur 19 Prozent Frauen vertreten. Was halten sie von der Forderung, durch Ouotenregelungen mehr Parität zu gewährleisten?

Françoise Hetto-Gaasch: Ich bin nicht ganz von den Quotenregelungen überzeugt und glaube, dass man nichts erzwingen sollte. Ich glaube, man sollte eher motivierend vorgehen, um Frauen stärker für die Politik zu gewinnen. Wenn wir mehr Frauen motivieren wollen, sich politisch zu engagieren - ich denke jetzt auch an die anstehenden Gemeindewahlen -, dann sollten die Frauen, die ein politisches Mandat innehaben, als politische Multiplikatoren in der Gesellschaft füngieren. Auch sollte man die Parteien auffordern, mehr Frauen in den Staatsrat zu wählen. Viele Frauen zögern und denken: Politik, das ist nichts für mich. Man muss diesen Frauen die Angst nehmen und versuchen zu verstehen, warum sie solche Bedenken haben. Politik war lange nur eine Männerdomäne. Als Bürgermeisterin von Junglinster war ich auf Versammlungen oft die einzige Frau. Dieser Umstand wirkt sicher abschreckend. Viele Frauen denken aber auch, dass sie dieser Herausforderung nicht so gewachsen sind wie Männer. Auch haben Frauen eine andere Herangehensweise in der Politik. Frauen setzen andere Prioritäten und agieren eventuell praktischer. Etwa bei einem Straßenbauprojekt: Männer interessieren sich hier vielleicht vor allem für die Art des Straßenbelags, eine Frau denkt eher an abgeschrägte Bordsteinkanten, die es leichter machen, mit einem Kinderwagen die Straße zu überqueren.

Woxx: Wie erklären Sie sich diese Abwesenheit von Frauen in der Politik?

Françoise Hetto-Gaasch: Jedes Engagement - ein politisches, ein Volontariat bei einer ONG oder das Mitmachen bei der Feuerwehr - bedeutet immer, einen Teil der Freizeit zu opfern. Auch die Politik sehe ich als eine Art Volontariat an. Die Jugendlichen sind jedoch oft zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auch wird die Politik in den Schulen nicht genug thematisiert.

Woxx: Spielt nicht auch die Mehrfachbelastung durch Familie und Arbeit eine Rolle?

Françoise Hetto-Gaasch: Die Abwesenheit von Frauen in der Politik hängt meiner Meinung nach nicht mit der Mehrfachbelastung zusammen. Ich glaube, es geht eher darum, sich für Politik zu interessieren. Vor zehn Jahren hatte ich selbst nichts mit Politik am Hut. Politik wird oft negativ angesehen.

Woxx: Müsste auf kommunaler Ebene die Chancengleichheitskommission, die bisher eher fakultativ war, nicht verpflichtend eingeführt werden. Und wäre es nicht auch nötig, das Aufgabenfeld eines délégué à l'égalite gesetzlich zu definieren?

Françoise Hetto-Gaasch: Wir hatten letzte Woche in Junglinster eine Veranstaltung zum Thema Chancengleichheit, bei der Gemeinden aus dem Ausland Praxisbeispiele vorstellten. Hier wurden Projekte genannt, die ganz konkret auf unterschiedlichen Niveaus umsetzbar sind. Ich glaube, dass man den Gemeinden mehr Hilfestellungen anbieten muss. Bei den Gemeinden besteht das Problem oft darin, dass die einzelnen Parteien entsprechend ihren Sitzen Leute in die Kommissionen schicken, sich aber nicht immer jemand finden lässt, der sich für das Thema Chancengleichheit interessiert. Daher ist es schon ziemlich schwierig, eine eigenständige Kommission auf die Beine zu stellen. Viele Gemeinden haben deshalb die Chancengleichheits- mit der Sozialkommission zusammengelegt.

Woxx: Reicht hier die Information der Gemeinden? Ist nicht doch ein verbindlicher Rahmen erforderlich?

Françoise Hetto-Gaasch: Es gibt verbindliche Elemente. So wurden im letzten Regierungsrat die Einführung von Kursen zur Chancengleichheit für die Gemeinde- und Staatsbeamten beschlossen. Diese Kurse sind obligatorisch. Da ich aber die Gemeindestruktur kenne, habe ich teilweise auch Verständnis dafür, wenn Gendermainstreaming hier und da zu kurz kommt. Trotzdem sollte man in jedem Fall eine Person benennen, die für die Chancengleichheit verantwortlich ist - auch wenn man daraus keine Verpflichtung machen sollte. Ein délégué à l'égalité sollte von seiner Aufgabe überzeugt sein.

Woxx: Wie wollen Sie die Chancengleichheit in Unternehmen fördern, da in Vorstands- oder Aufsichtsräten Frauen ja eher noch in der Minderheit sind?

Françoise Hetto-Gaasch: Durch die "Actions positives" wollen wir erreichen, dass Betriebe, in denen Frauen in den obersten Gremien nur schwach vertreten sind - infolge einer selektiven Einstellungspolitik, bei der Frauen nicht angemessen berücksichtigt werden - ihre Haltung kritisch hinterfragen. Bei den "Actions positives" wird eine Bestandsaufnahme des Betriebes und eine Personalumfrage gemacht, auf deren Grundlage dann ein Plan aufgestellt wird. Kann nach zwei Jahren eine positive Bilanz gezogen werden, so erhalten die Firmen ein ministerielles Agrement. Ich glaube, das ist der richtige Weg; solche Unternehmen können dann auch als praktisches Vorbild für andere wirken.

Woxx: Ein weiteres wichtiges Dossiez ist das Abtreibungsgesetz. Gerade die CSV hat sich ja lange gegen ein solches gestemmt. Was ist Ihre persönliche Einstellung dazu?

Françoise Hetto-Gaasch: Es wurde ja schon eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes beschlossen, indem Frauen, die unter großem psychischem Druck stehen, eine Abtreibung zugestanden wird. Ich bin der Meinung, dass man heutzutage darüber aufgeklärt sein muss, wie eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern ist. Deshalb möchte ich die Präventionspolitik fördern. Gut ist, dass wir jungen Frauen bis 26 Jahren die Pille bezahlen. Jedoch, warum bezahlen wir nicht auch den jungen Männern die Kondome - wenn wir schon von Chancengleichheit reden?

Woxx: Stichwort Prostitution: Ihre Vorgängerin war eher fäi das sogenannte schwedische Modell, bei dem die Freier bestraft werden. Wie soll es mit diesem Dossier weitergehen?

Françoise Hetto-Gaasch: Ich bin nicht für das schwedische Modell. Ich bin nicht der Meinung, dass der Freier bestraft werden soll. Die Tätigkeit der Prostituierten hat es schon immer gegeben. Daher halte ich das schwedische Modell für ein wenig heuchlerisch. Aber ich bin ganz klar gegen Zuhälterei, auch wenn ich von Frauen weiß, die mit Prostitution ihr Geld verdienen. Wenn es ihre freie Entscheidung ist, dann liegt es nicht an uns, das zu verbieten. Dennoch muss eine Regelung getroffen werden. Wir beabsichtigen, eine solide Bestandsaufnahme zu erstellen, um zu sehen, welche Frauen und Männer das eigentlich sind, die sich prostituieren. Daneben muss das "Drop-In", die Anlaufstelle für Prostituierte, ausgebaut werden. Denn der hier diensthabende Arzt ist meistens komplett überfordert.

Woxx: Zum Schluss ein paar Grundsatzfragen. Wie ist Ihre Position zur Frauenpolitik. Verbinden Sie diese überhaupt noch mit feministischer Politik?

Françoise Hetto-Gaasch: Ich bin keine Feministin. Ich finde, eine Gesellschaft braucht Männer ebensosehr wie Frauen. Dieses Ministerium heißt "Egalité des chances femmes-hommes", und deshalb bin ich der Meinung, dass wir auch den Mann hier vertreten müssen. Die "Association des hommes du Luxembourg" hat uns bei einem Treffen eine gewisse Einseitigkeit vorgehalten. Die Frau werde stark hervorgehoben, der Mann dagegen oft als das Schlechte hingestellt. Hier muss ich der AHL zustimmen, die Gleichbehandlung muss für beide Geschlechter gelten. Wir können in diesem Ministerium nicht nur Werbung machen, die die Frau in den Mittelpunkt rückt. Wenn wir wollen, dass die Rolle der Frau sich entwickelt, dann muss es auch die des Mannes tun.

Woxx: Inwiefern wird sich Ihre Politik von der Ihrer Vorgängerin unterscheiden?

Françoise Hetto-Gaasch: Das Ministerium nannte sich am Anfang "Promotion Feminine". Es hatte damals eine andere Zielsetzung. Jetzt heißt es "Egalité des chances femmes/hommes", woraus folgt, dass auch sein Aufgabenbereich ein anderer ist. Man muss jedoch auch sagen, dass jene Frauen, die seit dreißig, vierzig Jahren für Frauenrechte streiten, eine wertvolle Pionierarbeit geleistet haben. Aber es ist nun einmal so, dass unsere Gesellschaft sich entwickelt hat und weiterentwickelt. Und die Rechtsungleichheit ist heute in Luxemburg nicht mehr so dramatisch wie früher.

Woxx: Im Vorfeld der letzten Wahlen bestand die Befürchtung, dass sich die Zuständigkeit des Chancengleichheitsministeriums zukünftig auf zu viele Diskriminierungsfaktoren ausdehnen könnte. Wie ist ihre Einstellung dazu?

Françoise Hetto-Gaasch: Ich glaube, eine solche Vielfalt ist wichtig. Eigentlich war ich eher überrascht bei meinem Amtsantritt, dass das Ressort so eng gefasst ist.

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